16. Dezember. 10:00 Uhr. Kapstadt, Johannesburg, Pretoria.
In drei Städten Südafrikas gehen tausende Menschen auf die Straße,
um am Tag der Versöhnung gegen Korruption im Allgemeinen und Jacob
Zuma im Speziellen zu demonstrieren. Jacob Zuma, Präsident der
Republik Südafrikas, seit zwei Legislaturperioden an der Spitze des
Staates. Es ist wirklich kein Geheimnis mehr, dass Zuma durch und
durch korrupt ist und den gesamten Staatsapparat korrumpiert hat. Von
Politikern bis hin zu Polizisten – jeder ist bestechlich.
Die einen sehen ihn als Witzfigur, die anderen als Peinlichkeit auf
internationaler Ebene. Gerne wird das Beispiel der Staatsschulden
herangezogen. Nicht, dass diese hoch seien (das sind sie allerdings
auch), sondern, dass sie so hoch sind, dass Zuma die exorbitant hohe
Zahl gar nicht mehr vorlesen kann. Als „Affe“ wird er bezeichnet,
so dumm sei er. Manche wollen sein Gesicht schon gar nicht mehr
sehen, weil sie ansonsten anfangen müssten, zu lachen.
Seit zwei Legislaturperioden – ich habe mich nicht verschrieben.
Man sollte eigentlich meinen, dass ein solcher Mensch an der Spitze
des Staates sofort aus dem Verkehr gezogen werden sollte – oder
erst gar nicht an diese Position gelangt. Doch es hat seine Gründe,
dass der African National Congress (ANC) ihn an der Spitze behält.
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Folgende eine rein subjektive
Meinung meinerseits ist. Ich berichte aus den Erfahrungen, die ich
bislang in Südafrika und ihm Vorhinein machen konnte. Medienberichte
und -meinungen, aber auch Aussagen und Meinungen verschiedener
Südafrikaner, die sich mit dieser Materie weitaus mehr und besser
beschäftigt haben und konnten, als ich. Ich berichte nichts, ohne
einen faktischen Grund oder Hintergrund zu haben. Dennoch ist meine
Meinung definitiv nicht die weitverbreiteste Meinung in Südafrika.
Während der Apartheid war der ANC eine Widerstandsbewegung.
Intellektuelle haben sich zusammengefunden, um gegen das Regime zu
demonstrieren, bis der ANC verboten wurde. Aus dem Untergrund agierte
dieser schließlich, verübte Attentate und bekämpfte die Regierung.
Als Mandela aus seiner jahrzehntelangen Haft entlassen wurde und der
ANC erstmals an offiziellen, demokratischen Wahlen teilnehmen durfte,
schoss dieser mit seiner Wählerschaft an die Decke. Seitdem, seit
den späten Neunzigerjahren, gehört die absolute Mehrheit im
Parlament dem ANC. Einer Opposition wird kaum eine Chance oder
Gelegenheit gelassen. Dennoch schwindet die Mehrheit des ANC seit
Jahren. Nur noch knapp hält er mehr als die Hälfte aller Sitze.
Denn jedes Mal aufs Neue werden die selben Wahlversprechen gegeben –
kostenlose Bildung, Arbeitsplätze, ein funktionierendes Sozialsystem
– doch jedes Mal aufs Neue werden diese nicht gehalten. Natürlich
klammern sich die Armen und Unprivilegierten an jene Versprechen,
doch sie werden jedes Mal aufs Neue enttäuscht. Mit Zuma an der
Spitze des ANC hat nun auch ein flächendeckendes und vor allem
funktionierendes Korruptionssystem Einzug gefunden. Diverse Villen
und Ferienhäuser in ganz Südafrika, die für Millionen von Rand
gebaut und renoviert wurden – bezahlt aus Staatskasse. In diesen
leben seine bis zu sechs Ehefrauen. Als Zulu ist für ihn Polygamie
Normalität. Er hat insgesamt 20 Kinder. Zudem wurde ihm 2005 eine
Vergewaltigung vorgeworfen. Er wurde freigesprochen. Während des
Prozesses legte er dar, dass er von der HIV-Infektion seiner
Partnerin gewusst habe, dass er sich nach dem Geschlechtsverkehr
jedoch aus Sicherheitsgründen abgeduscht habe.
Ein Dummbeutel also in der Spitze des mächtigsten Staates Afrikas.
Selbst Berlusconi erlaubt sich nicht solche Schnitzer. Warum also,
warum lieber ANC, haltet ihr an Zuma fest? Zuma ist eine sehr leicht
zu bedienende Marionette. Man kann sich nun wirklich nicht
vorstellen, dass ein solcher Mann ein Land regieren soll – ganz zu
schweigen von können. Viele Menschen stehen hinter, besser gesagt
über Zuma, welche wirklich die Fäden in den Händen haben. Aus
diesem Grund ist Zuma seit 2009 an der Macht – und wird es auch
noch 2017 sein, wenn die nächsten Wahlen stattfinden.
Und gegen einen solchen Menschen haben wir demonstriert – in
Kapstadt, Johannesburg und Port Elizabeth. Im Company's Garden, nahe
dem Parlament, haben wir uns versammelt und unsere Stimme gegen die
Regierung gehoben. Nach dem Marsch zum Parlament sind wir durch die
abgesperrte Innenstadt bis zum Green Point Stadium gelaufen, wo
Erzbischof Desmond Tutu, ebenfalls ein Revolutionär, für seine
Verdienste gefeiert wurde. Eine friedliche Demonstration – eine
kleine Demonstration. Vor allem war sie sehr einfarbig. Eigentlich
waren nur Weiße vor Ort, was das Verhältnis in der Bewegung jedoch
keineswegs darstellt. Dennoch haben die Organisatoren nicht an Themen
wie Transport gedacht. Menschen aus den Townships wie Kayelitsha
können nicht mal eben ins Auto springen und in die Innenstadt
fahren, wie es die Menschen aus den Vororten können.
Die Demonstrationen gegen Zuma schließen nahtlos an eine Reihe
Aufschreie an, die in den letzten Monaten durch Südafrika hallten:
Vor einigen Monaten schrien die Studenten des Landes „Fees Must
Fall!“. Die Regierung wollte für das kommende Semester die
Studiengebühren um über 10% erhöhen – ohne Begründung. Nachdem
die ersten Studenten sich lautstark gewehrt haben, hat die Regierung
die Erhöhung auf 6% gesenkt – ohne Begründung. Nachdem die
Willkür der Regierung deutlich wurde, erbebten fast alle
Universitäten des Landes. Kaum eine Stadt wurde ausgelassen. Die
jungen Menschen gingen auf die Straßen, demonstrierten – einige
mehr, andere weniger friedlich. In vielen Städten, so auch Kapstadt,
eskalierte die Situation. Autos fingen an zu brennen, Polizisten
wurden bespuckt, die Mensa der University of Cape Town (UCT) wurde
niedergebrannt. Dennoch verlangte man weiterhin eine warme Mahlzeit
pro Tag. Die Kurzsichtigkeit der Studenten stellte der Idee der
Demonstrationen ein Bein. Erstmals nach dem Ende der Apartheid spürte
man einen kollektiven Geist, eine gemeinsame Bewegung. Die Studenten
haben sich mittlerweile beruhigt, alle Klausuren sind geschrieben, das neue
Semester kann beginnen – ohne Erhöhung der Studiengebühren.
Vor wenigen Tagen entließ Zuma den Finanzminister Südafrikas, Nhlanhla Nene –
ohne Begründung. Der sowie so schon schwache Rand stürzte in die
Tiefe, wie es selbst der Rubel vor einem halben Jahr nicht geschafft hat.
War 1 Euro noch etwa 15 Rand wert, waren es nach zwei Tagen ohne
Finanzminister 17,6 Rand. Mittlerweile hat sich der Rand beruhigt und
liegt nun auf einem Polster von 16,4 Rand – was für mich bedeutet,
möglichst schnell alle Finanzgeschäfte zu erledigen.
Weihnachten ist nun vorbei. Manch ein Südafrikaner sang „All
I want for Christmas is a new president“. So schnell wird Zuma
nicht zurücktreten – das steht fest. Vielmehr müssen die nächsten
Wahlen entscheiden, in welche Richtung dieses Land geht. Meiner
Meinung ist die Zeit reif für eine neue Regierung, für eine neue
Partei. So prestigeträchtig und ehrenhaft der ANC auch sein mag,
seitdem Mandela nicht mehr an der Spitze steht, ging es nur noch
bergab mit dieser Partei. Der revolutionäre Geist der Apartheid ist
entschwunden. Doch es liegt ein neuer Geist der in der Luft
Südafrikas. Erneut ein Geist des Umsturzes, doch dieses Mal ist es
ein progressiver Geist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen