Mittwoch, 13. Januar 2016

Training Workshops Unlimited

Teil meines Freiwilligendienstes ist die freiwillige Arbeit in einer NGO. Ich arbeite für die Cape Mental Health Society (CMHS/CMH), Südafrikas größte Gesellschaft im Bereich Mental Health. Ihr Büro befindet sich in Observatory in Kapstadt. Von dort aus werden dutzende Projekte und Subunternehmen organisiert, die sich auf drei Bereiche konzentrieren: Mental Disability, Psychosocial Disability und Mental Promotion. CMH spezialisiert sich also auf geistige und psychische Behinderungen sowie auf Prävention und Intervention. Dafür wurden verschiedene Einrichtungen geschaffen, die in und um Kapstadt operieren. Dazu gehören unter anderem die sogenannten Protective Workshops für die Eingliederung von Menschen mit geistiger Behinderung auf den offenen Arbeitsmarkt, die Special Care Centers, welche Tagespflege für Kinder mit Behinderungen bieten, und das sogenannte Psychosocial Rehabilitation Program, welches die Rehabilitation von Menschen mit psychischen Behinderungen fördert. Ebenfalls versucht CMHS Aufmerksamkeit auf das Thema „Behinderung“ zu richten und die Menschen zu sensibilisieren gegenüber dieser Thematik. Sie versucht, aufzuklären und Erwachsene, aber auch junge Kinder und Schüler dieses Thema näherzubringen.

Ich arbeite im Protective Workshop in Athlone (AWS). Athlone ist ein Stadtteil Kapstadts und gehört zu den Cape Flats. Neben dem Workshop in Athlone befinden sich weitere in Mitchel's Plain, Retreat und Kayelitsha. AWS ist hingegen der größte Workshop, stellt mehrere hundert Menschen mit Behinderung an und dient als Zentrale für alle weiteren Workshops in Kapstadt. Darüber hinaus gibt es noch weitere Workshops außerhalb Kapstadts.
Wie erwähnt ist es das Ziel der Workshops, Menschen mit geistiger Behinderung in den offenen Arbeitsmarkt einzugliedern. In Südafrika wird eine geistige Behinderung diagnostiziert, wenn der IQ des betroffenen Menschen unter 70 Punkten liegt und die Person in mindestens zwei fundamentalen Lebensbereichen Probleme der Selbstständigkeit zeigt. Dazu gehören unter anderem der soziale Umgang, die Fähigkeit zu lernen, Orientierung und Selbstverpflegung. Eine geistige Behinderung entsteht in der Regel durch Schädigung des zentralen Nervensystems. Dies kann vor der Geburt beispielsweise durch einen Gendefekt wie Trisomie-21 oder durch Drogenmissbrauch, während der Geburt durch Sauerstoffunterversorgung oder nach der Geburt durch Unfälle geschehen. Die Schwere der Behinderung variiert von Mensch zu Mensch und von Behinderungstyp zu Behinderungstyp. CMH arbeitet jedoch in der Regel nur mit Menschen, die eine schwere Behinderung haben. Ziel der Workshops ist es, die Selbstständigkeit der Trainees - so werden die Angestellten der Workshops genannt - zu verbessern. Dafür gibt es den sogenannten Training and Career-Path, ein fünfstufiger Plan, der die Entwicklung der Trainees von einer niedrigen bis hin zu einer hohen Selbstständigkeit beschreibt.
Die niedrigste Stufe ist das sogenannte Eagles-Program. Dieses stellt vielmehr eine Betreuung der Menschen mit Behinderung dar. Vor allem werden diese stimuliert, sie werden gepflegt und erhalten sehr einfache Unterrichtseinheiten.
Die zweite Stufe ist die der Life Skills. In täglichen Unterrichtseinheiten werden den Trainees grundlegende Inhalte wie das Verhalten im Straßenverkehr, der Umgang mit Geld, aber auch Verhütung beigebracht. Hinzu kommen leichte Handarbeiten, die auf die nächste Stufe vorbereiten sollen. Dennoch ist dieser Teil des Training and Career-Path sehr von Pädagogik bestimmt.
Die nächsten Stufen sind die Work Skills. Dort müssen die Trainees in der Werkstatt des Workshops Handarbeiten leisten. Je nach Grad der Selbstständigkeit ist ein tägliches Pensum an herzustellenden Produkten vorgegeben. So stellen die Trainees beispielsweise Kleiderbügel oder Dämmringe her.
Die letzte Stufe ist das Siyanceda-Programm. In diesem Programm arbeiten die Trainees unter realistischen Arbeitsbedingungen. So gibt es verschiedene Subunternehmen in den Workshops, welche die Trainees aufnehmen und sie bis zum Eintritt auf den offenen Arbeitsmarkt begleiten. AWS besitzt zwei dieser Unternehmen: das Garden Pot Center (GPC) und Siyakwazi Integration Company. In letzterem arbeite ich während meines Freiwilligendienstes.
GPC stellt, wie der Name vermuten lässt, Dekoration für den Garten aus Zement und Terrakotta her. Dazu gehören große Blumentöpfe, aber auch Trittsteine, Bänke und Tische, Wasserschalen, Palisaden, Säulen und Statuen.
Siyakwazi ist Xhosa für „We Can Do It“. Offiziell ist es ein Reinigungsunternehmen, es hat sich jedoch längst als Unternehmen für Gartenarbeiten etabliert. Insgesamt neun Trainees arbeiten für Siyakwazi. Gemeinsam fahren wir in die Gärten der umliegenden Nachbarschaften und mähen den Rasen, schneiden die Hecke, jähen das Unkraut. Zu unseren Aufgaben gehört jedoch auch das Putzen von Fenstern, das Waschen von Autos und das Reinigen von Polstern und Teppichen.
Zusammen mit meinem Mentor sind wir die sogenannten Supervisors. Wir planen und organisieren die Aufträge, helfen und motivieren die Trainees bei ihrer Arbeit. Wir achten darauf, dass alles funktioniert wie geplant.
Idee der Workshops ist es nicht, die Trainees maßzuschneidern und auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Trainee von GPC selber einmal angestellter in einer Töpferei wird – oder dass ein Trainee von Siyakwazi einmal Gärtner wird. Die eigentlich Idee ist, den Trainees das Erwerben von neuen Fähigkeiten beizubringen. Indem man die Menschen fordert und ihnen stetig neue Aufgaben zuteilt, lernen sie eben dies. So ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Trainee von Siyakwazi im Garden Pot Center aushilft, weil gerade keine Arbeit bei Siyakwazi ansteht. Weiterhin betreiben wir seit neuestem eine kleine Kompostieranlage, die mein Vorgänger ins Leben gerufen hat. Die Gartenabfälle, die während unserer Aufträge entstehen, nehmen wir mit auf das Gelände des Workshops und verwerten sie dort. Der entstandene Kompost wird von uns wiederum verkauft und der Erlös geht in den Fundraising-Topf. Ich plane, einen kleinen Gemüsegarten zu entwerfen, der den Trainees regelmäßig frisches Essen zukommen lassen soll. Die Entwicklung, allen voran aber der Betrieb des Gartens soll mit der Hilfe der Trainees geschehen.

Dies sind Beispiele dafür, wie vielseitig die Aufgabenbereiche der Trainees sind. Sie werden nicht auf eine bestimmte Arbeit vorbereitet, sondern sollen möglichst flexibel und anpassbar sein, um einmal selber eine vollwertige Stelle auf dem offenen Arbeitsmarkt zu erhalten.

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