Teil meines Freiwilligendienstes ist die freiwillige Arbeit in einer
NGO. Ich arbeite für die Cape Mental Health Society (CMHS/CMH),
Südafrikas größte Gesellschaft im Bereich Mental Health. Ihr Büro
befindet sich in Observatory in Kapstadt. Von dort aus werden
dutzende Projekte und Subunternehmen organisiert, die sich auf drei
Bereiche konzentrieren: Mental Disability, Psychosocial Disability
und Mental Promotion. CMH spezialisiert sich also auf geistige und
psychische Behinderungen sowie auf Prävention und Intervention.
Dafür wurden verschiedene Einrichtungen geschaffen, die in und um
Kapstadt operieren. Dazu gehören unter anderem die sogenannten
Protective Workshops für die Eingliederung von Menschen mit
geistiger Behinderung auf den offenen Arbeitsmarkt, die Special Care Centers,
welche Tagespflege für Kinder mit Behinderungen bieten, und das
sogenannte Psychosocial Rehabilitation Program, welches die
Rehabilitation von Menschen mit psychischen Behinderungen fördert.
Ebenfalls versucht CMHS Aufmerksamkeit auf das Thema „Behinderung“
zu richten und die Menschen zu sensibilisieren gegenüber dieser
Thematik. Sie versucht, aufzuklären und Erwachsene, aber auch junge
Kinder und Schüler dieses Thema näherzubringen.
Ich arbeite im Protective Workshop in Athlone (AWS). Athlone ist ein
Stadtteil Kapstadts und gehört zu den Cape Flats. Neben dem Workshop
in Athlone befinden sich weitere in Mitchel's Plain, Retreat und
Kayelitsha. AWS ist hingegen der größte Workshop, stellt mehrere
hundert Menschen mit Behinderung an und dient als Zentrale für alle
weiteren Workshops in Kapstadt. Darüber hinaus gibt es noch weitere
Workshops außerhalb Kapstadts.
Wie erwähnt ist es das Ziel der Workshops, Menschen mit geistiger
Behinderung in den offenen Arbeitsmarkt einzugliedern. In Südafrika
wird eine geistige Behinderung diagnostiziert, wenn der IQ des
betroffenen Menschen unter 70 Punkten liegt und die Person in mindestens zwei
fundamentalen Lebensbereichen Probleme der Selbstständigkeit zeigt.
Dazu gehören unter anderem der soziale Umgang, die Fähigkeit zu
lernen, Orientierung und Selbstverpflegung. Eine geistige Behinderung
entsteht in der Regel durch Schädigung des zentralen Nervensystems.
Dies kann vor der Geburt beispielsweise durch einen Gendefekt wie
Trisomie-21 oder durch Drogenmissbrauch, während der Geburt durch
Sauerstoffunterversorgung oder nach der Geburt durch Unfälle
geschehen. Die Schwere der Behinderung variiert von Mensch zu Mensch
und von Behinderungstyp zu Behinderungstyp. CMH arbeitet jedoch in
der Regel nur mit Menschen, die eine schwere Behinderung haben. Ziel
der Workshops ist es, die Selbstständigkeit der Trainees - so werden die Angestellten der Workshops genannt - zu verbessern. Dafür gibt es den sogenannten Training
and Career-Path, ein fünfstufiger Plan, der die Entwicklung der
Trainees von einer niedrigen bis hin zu einer hohen Selbstständigkeit
beschreibt.
Die niedrigste Stufe ist das sogenannte Eagles-Program. Dieses stellt vielmehr eine Betreuung der Menschen mit Behinderung dar. Vor allem werden diese stimuliert, sie werden gepflegt und erhalten sehr einfache Unterrichtseinheiten.
Die zweite Stufe ist die der Life Skills. In täglichen
Unterrichtseinheiten werden den Trainees grundlegende Inhalte wie das
Verhalten im Straßenverkehr, der Umgang mit Geld, aber auch
Verhütung beigebracht. Hinzu kommen leichte Handarbeiten, die auf
die nächste Stufe vorbereiten sollen. Dennoch ist dieser Teil des
Training and Career-Path sehr von Pädagogik bestimmt.
Die nächsten Stufen sind die Work Skills. Dort müssen die Trainees in
der Werkstatt des Workshops Handarbeiten leisten. Je nach Grad der
Selbstständigkeit ist ein tägliches Pensum an herzustellenden
Produkten vorgegeben. So stellen die Trainees beispielsweise
Kleiderbügel oder Dämmringe her.
Die letzte Stufe ist das Siyanceda-Programm. In diesem Programm
arbeiten die Trainees unter realistischen Arbeitsbedingungen. So gibt
es verschiedene Subunternehmen in den Workshops, welche die Trainees
aufnehmen und sie bis zum Eintritt auf den offenen Arbeitsmarkt
begleiten. AWS besitzt zwei dieser Unternehmen: das Garden Pot Center
(GPC) und Siyakwazi Integration Company. In letzterem arbeite ich
während meines Freiwilligendienstes.
GPC stellt, wie der Name vermuten lässt, Dekoration für den Garten
aus Zement und Terrakotta her. Dazu gehören große Blumentöpfe,
aber auch Trittsteine, Bänke und Tische, Wasserschalen, Palisaden,
Säulen und Statuen.
Siyakwazi ist Xhosa für „We Can Do It“. Offiziell ist es ein
Reinigungsunternehmen, es hat sich jedoch längst als Unternehmen für
Gartenarbeiten etabliert. Insgesamt neun Trainees arbeiten für
Siyakwazi. Gemeinsam fahren wir in die Gärten der umliegenden
Nachbarschaften und mähen den Rasen, schneiden die Hecke, jähen das
Unkraut. Zu unseren Aufgaben gehört jedoch auch das Putzen von
Fenstern, das Waschen von Autos und das Reinigen von Polstern und
Teppichen.
Zusammen mit meinem Mentor sind wir die sogenannten Supervisors. Wir
planen und organisieren die Aufträge, helfen und motivieren die
Trainees bei ihrer Arbeit. Wir achten darauf, dass alles funktioniert
wie geplant.
Idee der Workshops ist es nicht, die Trainees maßzuschneidern und
auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten. Es ist höchst
unwahrscheinlich, dass ein Trainee von GPC selber einmal angestellter
in einer Töpferei wird – oder dass ein Trainee von Siyakwazi
einmal Gärtner wird. Die eigentlich Idee ist, den Trainees das
Erwerben von neuen Fähigkeiten beizubringen. Indem man die Menschen
fordert und ihnen stetig neue Aufgaben zuteilt, lernen sie eben dies.
So ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Trainee von Siyakwazi im
Garden Pot Center aushilft, weil gerade keine Arbeit bei Siyakwazi
ansteht. Weiterhin betreiben wir seit neuestem eine kleine
Kompostieranlage, die mein Vorgänger ins Leben gerufen hat. Die
Gartenabfälle, die während unserer Aufträge entstehen, nehmen wir
mit auf das Gelände des Workshops und verwerten sie dort. Der
entstandene Kompost wird von uns wiederum verkauft und der Erlös
geht in den Fundraising-Topf. Ich plane, einen kleinen Gemüsegarten
zu entwerfen, der den Trainees regelmäßig frisches Essen zukommen
lassen soll. Die Entwicklung, allen voran aber der Betrieb des
Gartens soll mit der Hilfe der Trainees geschehen.
Dies sind Beispiele dafür, wie vielseitig die Aufgabenbereiche der
Trainees sind. Sie werden nicht auf eine bestimmte Arbeit
vorbereitet, sondern sollen möglichst flexibel und anpassbar sein,
um einmal selber eine vollwertige Stelle auf dem offenen Arbeitsmarkt
zu erhalten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen