Prinzipiell unterscheiden
sich die öffentlichen Verkehrsmittel in Kapstadt und Südafrika
nicht sehr von denen in Deutschland: Bus und Bahn, „Taxi“ und
Metro – und doch erscheint es wie vieles, wenn man die Heimat
verlässt, fremd.
Sprach ich noch von
Robben Island als Wahrzeichen von Kapstadt, so ist es auch nicht
gelogen, die berühmten Minibustaxis im selben Zuge zu nennen. Weiße
Toyota Minibusse, bestückt mit zwanzig Menschen und mehr, wummernd
vor lauter Musik und ein Mann, der sich aus dem Fenster lehnt und den
Passanten zuschreit, wohin das Taxi fährt – und das mit 120 km/h
innerorts. Das sind zusammengefasst die Minibustaxis Kapstadts.
Gehen ich einmal deutsch
an diese Angelegenheit ran und erläutere das Minibustaxisystem:
Ein dubioses
Taxiunternehmen erwirbt eine Lizenz für eine Strecke zwischen zwei
sogenannten Taxiranks. Diese Taxiranks sind eigens für die Taxis
hergerichtete Bahnhöfe. Meist sehr groß, dreckig, stinkend und
voller Menschen gibt es einen solchen Taxirank in fast jedem größeren
Stadtteil Kapstadts, beispielsweise in der Innenstadt und Wynberg.
Dort reihen sich die Taxis auf. Bis das Taxi nicht (fast) voll ist,
fährt der Taxifahrer auch nicht los.
Sitze ich nun im Taxi
fahre ich auf einer festgelegte Route von der Innenstadt aus nach
Wynberg. Während der Fahrt brüllt entweder der Fahrer oder aber
sein Kollege der gaartjie (Afrikaans „Gottheit“) aus dem Fenster
und teilt den Passanten in unverständlichem Slang mit, wohin es geht
in meinem Fall Wynberg. Währenddessen wird von den Mitfahrern das
Geld eingesammelt.
Will ich nun aber nicht
in Wynberg sondern beispielsweise in Observatory raus, so muss ich
dies dem Fahrer oder dem gaartjie mitteilen. So sammeln die Taxis auf
ihrer Route ständig Leute auf und lassen Fahrgäste raus – es gibt
keine festen Haltestellen neben den Taxiranks. Will ich irgendwo auf
der Route des Taxis einsteigen, so gebe ich dem Taxifahrer vom
Bürgersteig aus ein Zeichen und der Minibus hält für mich.
Soweit die deutsche
Theorie, kommen wir zur südafrikanischen Praxis. In den Taxis ist
man eingeengt auf kleinstem Raum mit unter anderem dutzenden von
anderen Menschen – und so muss man sich arrangieren. Wenn der
Taxifahrer gerne ohrenbetäubende House-Musik hört, so muss ich dies
als Fahrer akzeptieren, schließlich bin ich es, der in sein Taxi
einsteigt. Sitze ich dann auch noch in der letzten Reihe, so kann es
zum Problem werden, auszusteigen. Irgendwie muss ich auf mich
aufmerksam machen: gegen die laute Musik anbrüllen, aufstehen und
dem Taxifahrer auf die Schulter klopfen, damit er auf mich aufmerksam
wird, von innen gegen die Karosserie schlagen; viele Wege führen
nach Rom. Wenn ich jedoch vorne sitze, so kann das unliebsame Los des
Geld-Zurückgebens auf mich zu kommen. Denn im Taxi wird das Geld dem
Fahrer gereicht, während dieser fährt. So muss ich das Geld, das
von hinten aus dem Taxi kommt, annehmen, dem Fahrer geben und ihm
sagen, wohin der Fahrgast fahren möchte und schließlich auch das
Rückgeld austeilen – alles keine leichte Aufgabe
Verlässlich sind die
Taxis keinesfalls. Weder fahren sie nach einem Fahrplan, noch gibt es
eine Garantie dafür, dass sie auch anhalten, wenn ich einsteigen
will. Es kommt nicht selten vor, dass die Minibusse schlichtweg
überfüllt sind. Ausgelegt für in der Regeln fünfzehn Personen,
fahren oft mehr als zwanzig mit. Da muss man sich auch schon einmal
zu fünft in eine Sitzreihe quetschen, die für drei Personen
ausgelegt ist – oder man nimmt andere Mitfahrer auf den Schoss.
Oder die Taxis halten aus anderen Gründen nicht an – weil sie
beispielsweise um Positionen am Taxirank fahren und so möglichst
schnell sein müssen. Wer also pünktlich auf der Arbeit sein muss,
sollte sich ein anderes Verkehrsmittel suchen.
Die Kapstädter Metro.
Der Slogan von Betreiber Metrorail? „Getting Cape Town to Work“
Ungefähr genau so eine Lüge wie das Motto der Deutschen Bahn: „Die
Bahn macht mobil“. Verspätungen, Ausfälle, Streiks – klingt
deutsch, oder? Wenn man es dann jedoch in die Bahn geschafft hat, so
steht man oft gedrängt, Schulter an Schulter in einem lauten,
beschmierten Zugabteil. Außer man steigt von der dritten Klasse auf
die erste um (wo die zweite geblieben ist, habe ich noch nicht
herausgefunden). Mehr oder weniger gepolsterte Sitze, weniger voll –
aber schneller bewegt man sich dadurch ja auch nicht.
Verzweifelt sucht der
Europäer nach einem verlässlichen und weniger stressigen
Verkehrsmittel. Da liegt der Bus nahe. Und zum Glück gibt es gleich
zwei große Busbetreiber in Kapstadt: die Golden Arrow-Busse und die
MyCity-Busse.
Erstere sind die günstige
Variante, vorwiegend für die Cape Flats und Townships. Der Raum in
diesen lauten Ungetümen wurde effizient ausgenutzt. An
„Stop“-Knöpfen wurde auch gespart. Nur eine Sache ist wie in
Deutschland: Auch den goldenen Pfeilen muss man mal hinterherrennen,
weil die Busfahrer nicht anhalten wollen.
Das MyCity-System wurde
für die Fußball-WM 2010 eingeführt. Zunächst bestand es aus nur
fünf Linien, die vor allem die Stadtteile in und um das Stadtzentrum
sowie die Northern Suburbs einschlossen – also die Orte, an denen
sich die internationalen Gäste vor allem aufhielten sollen.
Mittlerweile fahren die MyCity-Busse sehr viel weiter: von der
Innenstadt bis nach Hout Bay, ganz weit in den Norden Kapstadts, zum
Flughafen oder aber sogar bis nach Mitchell's Plain oder Kayelithsa
rein – nicht weit, denn in diesen eher unsicheren Gegenden regieren
die Golden Arrows.
Um die MyCity-Busse zu
nehmen, erwirbt man eine spezielle Kreditkarte, die man beim
Einsteigen in den Bus an ein Terminal hält. Das System registriert,
wo man eingestiegen ist und wo man aussteigt, wenn man die Karte
erneut vorweist. So muss kein Bargeld ausgetauscht werden. Definitiv
das entspannendste öffentliche Verkehrsmittel in ganz Kapstadt.
Keine laute Musik, keine Unpünktlichkeit, keine
Dem-Bus-Hinterher-Rennen-Und-Wild-Winken.
Gewöhnungsbedürftig das
ganze. Aber man kommt drüber hinweg. Sobald man das erste Mal ein
Minibustaxi benutzt hat, lernt man diese Dinger zu lieben. Sie sind
das Sinnbild der südafrikanischen Kultur. Laute Musik, ganz egal ob
House, Jazz oder religiöse Musik, sehr voll, nicht immer so
pünktlich und zuverlässig, aber sehr flexibel. Dass sie extrem
gefährlich sind, für die meisten Unfälle in Kapstadt
verantwortlich sind und oft von der Polizei aus dem Verkehr gezogen
werden, um die Legalität des Gefährts zu untersuchen, stört viele
Kapstädter nicht – denn praktisch sind sie allemal.
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