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Die Innenstadt Johannesburgs |
Wenn in Deutschland die
Arbeit für einen Tag niedergelegt wird und Menschengruppen mit
Bollerwagen durch die Walde wandern, dann ist der 1. Mai. Tag der
Arbeit, ein Tag für die Arbeitnehmer, die sich diesen Feiertag
erkämpft haben. Doof, dass dieser in diesem Jahr auf einen Sonntag
gefallen ist. Einen Nutzen haben die Arbeitnehmer dadurch nicht
erhalten.
Anders ist es in
Südafrika. Hier ist der Regierung aufgefallen, dass dies nicht
gerecht ist. Somit hat man entschieden – sollte denn der Tag der
Arbeit auf einen Sonntag fallen – den darauffolgenden Montag als
nationalen Feiertag zu feiern. Dies war dieses Jahr der Fall und
somit wurden wir mit einem langen Wochenende beschert.
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Unsere kleine-große Reisegruppe |
Ich habe mich dazu
entschlossen, mit
Phillip,
Leonie und Willy, drei Kapstädter
Freiwilligen und guten Freunden, das lange Wochenende effektiv zu
nutzen und einen Kurzurlaub in Johannesburg zu verbringen. Spät sind
wir Freitag Abend aus Kapstadt aus nach Jo'burg, wie die fünf
Millionen Einwohner zählende Stadt genannt wird, geflogen. Aus der
Provinz Westkap sind wir nach Gauteng (gesprochen: Chauteng)
geflogen, wovon Johannesburg die Hauptstadt ist.
Der Flughafen O.R. Tambo,
der größte Flughafen Afrikas, war unsere Anlaufstelle. Von dort aus
sind wir in den Stadtteil Melville, dem Observatory Joburgs gefahren. Dort haben uns
Judith und
Lara, unsere beiden
Gastgeberinnen, und
Linda aus Pretoria erwartet. Gemeinsam wollten
wir das Wochenende verbringen.
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"For to be free is not merely to cast off
one's chains, but to live in a way that
respects and enhances the freedom
of others." Nelsond Mandela |
Joburg ist nicht für
seine touristische Anziehungskraft bekannt. Vielmehr ist es das
Wirtschaftszentrum Südafrikas – und trotz seiner Größe nicht die
Hauptstadt oder Sitz eines Staatsorganes. In Johannesburg findet man
die südafrikanische Börse, die sich dort aufgrund des Goldrausches
während des 19. und 20. Jahrhunderts angesiedelt hat. Hunderte
nationalen und internationale Unternehmen haben Sitze in
Johannesburg. Die Stadt ist geschäftig und dynamisch – das merkt
man auch an den Menschen, die alle einen Schritt schneller gehen als
im Rest des Landes.
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Der Eingang in die Apartheid |
Dennoch war unsere erste
Haltestelle ein Touristenziel; wenn nicht sogar DAS Touristenziel
schlechthin in Johannesburg: das Apartheid-Museum. Gleich zu Beginn
des Museums wird man mit der Realität vieler Menschen konfrontiert:
Das Ticket entscheidet, ob man das Museum als White oder Non-White
betritt. So werden Freunde und Familie gleich zu Anfang von einander
getrennt. Die ersten Meter des Museums sind also ganz individuell
gestaltet. Je nachdem, ob man nun Schwarzer oder Weißer ist, sieht
man die ersten Ausstellungsstücke aus einer anderen Perspektive. Nach etwa drei äußerst lehrreichen Stunden
hat man gut 100 Jahre Apartheidgeschichte hinter sich gebracht.
Wie auch Kapstadt hat
Johannesburg eine alternative Kunstszene, die vorwiegend von
jungen Menschen bestimmt wird. Ein Zentrum dieser urbanen Bewegung ist
der Stadtteil Maboneng, ein altes Industriegebiet nahe des
Stadtzentrums. Im Gegensatz zu Kapstadt ist diese weniger hip. In
Maboneng finden sich kulinarische Märkte in Hintergärten, Arts and
Craft-Märkte in alten Industriehallen und Trödelmärkte auf den
Straßen. Dies erinnert schon ein wenig an das Künstlerviertel
Woodstock in Kapstadt, hat jedoch seinen ganz eigenen Flair. So
findet man Kunst von Straßenkünstlern, ehemalige Straßenkinder
stellen ihre Fotografien aus, Expressionisten zeigen ihre
kubistischen Werke auf Großleinwand.
Wagt man nun einen Blick
auf die Straßen Johannesburgs, so sieht man die Kunst der dort
lebenden mit anderen Augen. Die Innenstadt ist ein Albtraum: dreckig,
ranzig, gefährlich. Besiedelt wird der Central Business District
vorwiegend von Obdachlosen, Junkies und Gangs. Man traut sich nicht
mal einfach so in die Innenstadt. Selbst eingeschlossen im Auto ist
dieser Teil Joburgs alles andere als sicher – und das merkt man
selbst durch die verschlossene Tür.
Während der Apartheid
war es den Farbigen und Schwarzen nicht gestattet, im Zentrum wohnen
zu bleiben. Diese mussten jedoch jeden Tag mit dem Bus oder Zug in
die Stadt fahren, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Nachdem das
Regime gefallen ist und die Diskriminierung aufgehoben wurde, zogen
die Menschen in einer riesigen Welle in die Innenstadt – und mit
ihnen ihre Probleme wie Armut, Drogenabhängigkeit und Kriminalität.
So entstand das Bild des heutigen Stadtzentrums.

Mitten in der Stadt liegt
das Carlton Centre, ein großes Einkaufszentrum. Dieses Hochhaus –
das ebenfalls Büroräume beherbergt – heißt Top of Africa. Die
oberste Etage, der 50. Stock, bietet eine Aussichtsplattform mit
einem Rundumblick über Johannesburg. Innerhalb von 37 Sekunden reißt
der Aufzug seine Passagiere bis ganz an die Spitze – und dann hat
man einen atemberaubenden Blick über das Brooklyn Afrikas. Ganz auf
seine eigene Art und Weise ist Joburg von dort oben schön – man
kann sogar den Dreck und die Gefahr, die gut einhundert Meter weiter
unten herrscht, ausblenden.
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Der historische Kern Kliptowns |
Berühmtheit hat auch das
Township Soweto erlangt. Obwohl das South Western Township weniger
ein Township als vielmehr eine Metropole für sich ist. Irgendwas
zwischen 1,5 und 3,5 Millionen Menschen leben dort – vielleicht
sogar noch mehr. Wir sind ins historische Kliptown, einem der
ältesten Teile Sowetos gefahren. Kliptown ist für die Freedom
Charta bekannt, die dort 1955 unterzeichnet wurde. Am 26. Juni fanden
sich dort zehntausende Menschen aller Rassen zusammen, um gegen das
Regime zu demonstrieren und der Unterzeichnung des Dokumentes
beizuwohnen. Der Congress of the People forderte mit jener Charta die
Demokratisierung des Landes und die Aufhebung jeglicher
Diskriminierung und Rassentrennung.
Und dann war unser
Kurzurlaub auch schon vorbei. Einiges konnten wir sehen – auch wenn
es nicht viel zu sehen gab. Johannesburg ist sehr schnelllebig und
vor allem groß. Leicht geht man verloren oder findet sich erst gar
nicht zurecht. Schön ist es auch nicht wirklich. Und doch hat die
Stadt ihren ganz eigenen Charme. Ein Ort zum leben? Ich bin doch
froh, in Kapstadt wohnen zu dürfen – und gleich am Dienstag auch
wieder arbeiten zu dürfen.
Lieber Nico,
AntwortenLöschenes hat mich sehr amüsiert über euren Besuch bei uns lesen zu dürfen. Deinen Eindruck über die Stadt und Menschen zu erfahren. Johannesburg ist nicht die schönste Stadt, aber sie hat ihren eigenen mal mehr mal weniger wunderbaren Charme, es braucht seine Zeit ihn zu entdecken. So wahre und klare Worte hast du gefunden!
Die Tage mit euch hab ich sehr genossen, schön das ihr da wart :)
Liebe Grüße, Lara