Das Nelson Mandela Gateway to Robben Island an der Waterfront |
Kaum ein anderes Wahrzeichen Südafrikas erzählt so viel von der
Geschichte dieses Landes wie Robben Island. Eine kleine Insel in der
Tafelbucht, unweit vom Stadtzentrum Kapstadts entfernt. Eine kleine,
überschaubare Insel. Knapp 5km² groß, maximal 30 Meter hoch. Doch
fast 12 Kilometer vom Festland entfernt – und das machte Robben
Island so beliebt.
Anfangs diente die Insel noch als Plantage für Obst und Gemüse. Jan
van Riebeeck, der 1652 im Auftrag der Ostindischen Handelskompanie im
heutigen Kapstadt eine Versorgungsstation auf dem Seeweg nach Indien
errichtete, nutze die kleine Insel zum Anbau verschiedener
Nahrungsmittel. Als Endes des 18. Jahrhunderts die Briten die
Kapkolonie eroberten, wandelten sie Robben Island in eine
Sträflingskolonie um. Noch wurde überwiegende das gemeine Volk auf
die Insel geschickt, vorwiegend Xhosas. Bis zum zweiten Weltkrieg
diente die Insel als Gefängnis, bis sie schließlich zur
Militärbasis umfunktioniert wurde. Als in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts das Apartheid-Regime sich durchsetzte, wurde im
Jahre 1961 die Insel erneut Gefängnis – diesmal jedoch für
vorwiegend politische Sträflinge, darunter Nelson Rolihlahla
Mandela.
Der Steinbruch auf Robben Island |
Mandela, der lange Zeit den militärischen Flügel des African
National Congress (ANC) geführt hatte, wurde 1964 zu lebenslanger
Haft verurteilt. Er und viele weitere politische Gefangene wurden in
Block B untergebracht, dem Trakt für Führer politischer
Organisationen. Der Tagesablauf der Insassen sah Arbeit im Steinbruch
vor. Der dort abgebaute Schiefer wurde aufs Festland transportiert.
Den ganzen Tag mussten die Gefangenen dort ihre Arbeit leisten –
bei brütender Sonne und Temperaturen über 30° Celsius, ohne
Sonnenschutz und lange Pausen. Ihr Geschäft mussten die Insassen in
einer kleinen Höhle im Steinbruch erledigen. Dort wurden sie
ebenfalls zum Essen gezwungen. Unterhaltungen untereinander waren
untersagt.
Fünf Tage die Woche mussten die Gefangenen arbeiten. Den Rest der
Zeit verbrachten sie im Hochsicherheitsgefängnis. Wurde man nicht
zur Einzelhaft verurteilt, teilte man sich eine Gefängnishalle mit
rund 60 weiteren Insassen. Geschlafen wurde auf dünnen Matten,
selten in Betten. Gemeinsam teilte man sich eine Waschhalle mit zwei
Toiletten und drei Duschen.
Nelson Mandelas Zelle |
Die Einzelhaft, in der Mandela die meiste Zeit seiner Strafe absaß,
verbrachte man in 4m² großen Zellen – mit Kloschüssel und einer
Matte als Bett. Während seiner Haft schrieb Mandela an seinen
Memoiren „Der lange Weg zur Freiheit“.
Für viele Außenstehende erstaunlich, ist dass Mandela nach seiner
Freilassung all seinen Gefängniswärtern verzieh und sich mit ihnen
versöhnte – obwohl sie ihn jahrelang gedemütigt haben. Diese
Versöhnung, Englisch „Reconciliation“, spielte nach Ende der
Apartheid eine tragende Rolle in der Aufarbeitung der vergangenen
Jahrzehnte und ist auch heute noch tief in der südafrikanischen
Kultur und Mentalität verankert. Nach Ende des Regimes wurde 1996
die sogenannte Wahrheits- und Versöhnungskommission („Truth and
Reconciliation Commission“, TRC) ins Leben gerufen. Täter und
Angehörige des Regimes, die während der Apartheid Unrecht getan
hatten, konnten bei der TRC einen Antrag auf Amnestie stellen.
Unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion wurden die
Täter von den Betroffenen angehört. Erzählten diese die Wahrheit,
so konnten die Betroffenen die Amnestie gewähren. Dieser Dialog
zwischen Opfer und Täter führte zur Aufarbeitung vieler Straftaten
während der Apartheid – ganz egal, ob diese von weißen
Regimeanhängern oder von schwarzen Oppositionellen begangen worden
sind. Im Gegensatz zu den Nürnbergern Prozessen konnte man so
innerhalb von wenigen Jahren große Teile der dunklen Vergangenheit
aufarbeiten.
Während seiner Zeit in Haft ging Mandela seinem Prinzip „I teach
you, you teach me“ nach. So lehrte er nicht nur seine Mitinsassen,
sondern lernte auch von ihnen. Auch brachte er seinen
Gefängniswärtern seine Ansichten bei, während diese ihm
beispielsweise Afrikaans beibrachten. So entstanden tiefe
Freundschaften zwischen Insassen und Wärtern.
1990 wurde unter anderem Mandela auf Befehl des südafrikanischen
Präsidenten Frederik de Klerks freigelassen. Ein Jahr später wurde
das Hochsicherheitsgefängnis für politische Gefangene aufgelöst,
drei weitere Jahre später das gesamte Gefängnis geschlossen. Seit
1997 ist Robben Island für Besucher freigegeben und seit 1999
UNESCO-Weltkulurerbe.
Das kleine Dorf auf Robben Island - früher für Wärter, heute für ehemalige Gefangene |
Diese vielseitige Geschichte Robben Islands ist zu erfahren, wenn man
sich auf die einstündige Bootsfahrt zur Insel aufmacht. Geführt
wird man ausschließlich von ehemaligen Gefangenen, die heute auf der
Insel leben. Jeder Führer zeigt den Besuchern eine andere Facette
der Insel und ihrer Geschichte, damit diese lebendig bleibt und nicht
in Vergessenheit gerät.
Erstaunlich ist, dass diese Männer dazu in der Lage sind, an dem Ort
zu leben, an dem sie Jahrzehnte ihres Lebens eingesperrt waren –
und dies mit Freude machen. Das ist für mich Versöhnung.
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