Sonntag, 21. August 2016

Fifty Shades of Skin

Wirklich anstrengend musste er sich nicht, um ins Finale der 100 m, Männer zu gelangen. Zeit, sich mit dem kanadischen Konkurrenten Andre De Grasse über die unterlegen langsamen Mitstreiter zu scherzen, fand er ebenfalls. Die Bilder gingen um die Welt, ein weiteres Highlight der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. In Zeiten des Internets verbreitet sich eine solche Nachricht fast genau so schnell, wie Usain Bolt sprinten kann.
Die berühmte US-amerikanische Late Night Show-Moderatorin Ellen DeGeneres versorgt ihre Fans auf Twitter und Instagram regelmäßig mit mehr oder minder schlechten Fotomontagen aus „den guten, alten Zeiten“. Mal erinnert sie an ihren Auftritt in „Elliot, das Schmunzelmonster“, in dem sie 1977 die Rolle des Pete gespielt haben soll. Oder sie zeigt uns, wie sie in der amerikanischen Reality-TV-Show „Bacherlor in Paradise“ irgendwo in der Karibik zwischen durchtrainierten Männern und obszönen Frauen am Strand posiert – mit 58 Jahren. Millionen von Fans feiern ihren selbstironischen, wenn auch in gewisser Weise blöden Humor. Seit Jahren schalten mehr und mehr Zuschauer bei ihrer Sendung The Ellen DeGeneres Show ein und schauen der neuen Oprah Winfrey mit ihrem markanten Strahlen zu.
Vergangene Woche lud DeGeneres einen weiteren Streich in ihre sozialen Netzwerke hoch. Erneut eine lustige Photoshop-Montage; dieses Mal sah man ihr zu, wie sie auf dem Rücken des grinsenden Usain Bolt ins Ziel des 100 m-Sprintes getragen wird. Darunter schrieb sie: „This is how I'm running errands from now on.“ Genau so werde ich von nun an meine Einkäufe besorgen.
Ein Scherz, genau so wie immer: ironisch, sich selbst auf den Arm nehmend.
Genau so wie immer waren die Reaktionen jedoch nicht. In Zeiten des Internets kann ein solcher Post schnell viral werden, ohne, dass der Eigentümer dies vorhersehen und vor allem etwas dagegen tun kann. Schnell kamen rassistische Vorwürfe auf, dass DeGeneres erniedrigend und herabblickend auf Schwarze schaue. Vor allem vor dem Hintergrund der Sklaverei in den USA während des 19. Jahrhunderts und den noch immer anhaltenden Unruhen zwischen den Rassen in den Vereinigten Staaten erhält jener Post Brisanz.
Es ist kein großer Aufruhr, der entstanden ist. DeGeneres hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert, den Post nicht aus dem Internet genommen. Doch zeigen jene Aussagen und Vorwürfe gegen den angeblich rassistischen Beitrag, wie tief noch immer rassistische Tendenzen und gedankliche Rassestrukturen in uns hausen. Der Vorwurf entblößt vielmehr die intrinsische, rassistische Konnotation der Anklage.
Ich sehe einen Scherz, einen Witz. Ganz nach DeGeneres' Art hat die Moderatorin erneut eine Satire entworfen. Im Mittelpunkt steht die Gratulation, sogar die Eheerweisung: „Herr Bolt, Sie sind einsame Spitze – und dazu noch witzig.“
Andere sehen eine diskriminierende Äußerung – vor allem zuerst eine Diskriminierung, und nicht den Witz. Man sieht die weiße Frau, die vom schwarzen Sklaven getragen wird.
Woher kommen nur diese Vorwürfe?
Weil ich kritisch aufgeklärt man, mag einer antworten.
Das gebe ich zu. Ist damit Rassismus oder zumindest ein unterschwelliges Rassedenken überwunden?
Nein!
Als Ankläger mag man vielleicht nicht diskriminierend-rassistisch sein, doch man sieht noch immer in Farben, wenn es um Haut geht; schwarz, weiß, farbig. Das Ideal einer assimilierenden Gesellschaft ist doch, dass man keine Schattierungen mehr wahrnimmt. Wir gehören alle einer Spezies an, dem homo sapiens sapiens. Durch eine Genmutation bildete sich jedoch die weiße Hautfarbe aus, welche es den Hominiden ermöglichte, das kalte Europa und Asien zu besiedeln.
Während meiner Zeit in Südafrika frage ich mich immer wieder, wie sehr ich noch in Hautfarbe denke. Ich bin integriert in das gesellschaftliche und sozioökonomische Umfeld. Während es in Deutschland ganz normal war, weiße Bauarbeiter an Baustellen zu sehen, so wurden hier anfangs noch immer meine Augen geweckt, wenn ich an Straßenarbeiten entlanggefahren bin. Aufgrund dessen bin ich sehr gespannt auf die erste Begegnung mit einer deutschen Putzkraft: Werden meine Augen erneut geweckt, wenn mich eine weiße Frau ansieht?

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