Sonntag, 13. März 2016

Die Insel der Geraubten

Das Nelson Mandela Gateway to
Robben Island an der Waterfront
Kaum ein anderes Wahrzeichen Südafrikas erzählt so viel von der Geschichte dieses Landes wie Robben Island. Eine kleine Insel in der Tafelbucht, unweit vom Stadtzentrum Kapstadts entfernt. Eine kleine, überschaubare Insel. Knapp 5km² groß, maximal 30 Meter hoch. Doch fast 12 Kilometer vom Festland entfernt – und das machte Robben Island so beliebt.
Anfangs diente die Insel noch als Plantage für Obst und Gemüse. Jan van Riebeeck, der 1652 im Auftrag der Ostindischen Handelskompanie im heutigen Kapstadt eine Versorgungsstation auf dem Seeweg nach Indien errichtete, nutze die kleine Insel zum Anbau verschiedener Nahrungsmittel. Als Endes des 18. Jahrhunderts die Briten die Kapkolonie eroberten, wandelten sie Robben Island in eine Sträflingskolonie um. Noch wurde überwiegende das gemeine Volk auf die Insel geschickt, vorwiegend Xhosas. Bis zum zweiten Weltkrieg diente die Insel als Gefängnis, bis sie schließlich zur Militärbasis umfunktioniert wurde. Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Apartheid-Regime sich durchsetzte, wurde im Jahre 1961 die Insel erneut Gefängnis – diesmal jedoch für vorwiegend politische Sträflinge, darunter Nelson Rolihlahla Mandela.
Der Steinbruch auf Robben Island
Mandela, der lange Zeit den militärischen Flügel des African National Congress (ANC) geführt hatte, wurde 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er und viele weitere politische Gefangene wurden in Block B untergebracht, dem Trakt für Führer politischer Organisationen. Der Tagesablauf der Insassen sah Arbeit im Steinbruch vor. Der dort abgebaute Schiefer wurde aufs Festland transportiert. Den ganzen Tag mussten die Gefangenen dort ihre Arbeit leisten – bei brütender Sonne und Temperaturen über 30° Celsius, ohne Sonnenschutz und lange Pausen. Ihr Geschäft mussten die Insassen in einer kleinen Höhle im Steinbruch erledigen. Dort wurden sie ebenfalls zum Essen gezwungen. Unterhaltungen untereinander waren untersagt.
Fünf Tage die Woche mussten die Gefangenen arbeiten. Den Rest der Zeit verbrachten sie im Hochsicherheitsgefängnis. Wurde man nicht zur Einzelhaft verurteilt, teilte man sich eine Gefängnishalle mit rund 60 weiteren Insassen. Geschlafen wurde auf dünnen Matten, selten in Betten. Gemeinsam teilte man sich eine Waschhalle mit zwei Toiletten und drei Duschen.
Nelson Mandelas Zelle
Die Einzelhaft, in der Mandela die meiste Zeit seiner Strafe absaß, verbrachte man in 4m² großen Zellen – mit Kloschüssel und einer Matte als Bett. Während seiner Haft schrieb Mandela an seinen Memoiren „Der lange Weg zur Freiheit“.
Für viele Außenstehende erstaunlich, ist dass Mandela nach seiner Freilassung all seinen Gefängniswärtern verzieh und sich mit ihnen versöhnte – obwohl sie ihn jahrelang gedemütigt haben. Diese Versöhnung, Englisch „Reconciliation“, spielte nach Ende der Apartheid eine tragende Rolle in der Aufarbeitung der vergangenen Jahrzehnte und ist auch heute noch tief in der südafrikanischen Kultur und Mentalität verankert. Nach Ende des Regimes wurde 1996 die sogenannte Wahrheits- und Versöhnungskommission („Truth and Reconciliation Commission“, TRC) ins Leben gerufen. Täter und Angehörige des Regimes, die während der Apartheid Unrecht getan hatten, konnten bei der TRC einen Antrag auf Amnestie stellen. Unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion wurden die Täter von den Betroffenen angehört. Erzählten diese die Wahrheit, so konnten die Betroffenen die Amnestie gewähren. Dieser Dialog zwischen Opfer und Täter führte zur Aufarbeitung vieler Straftaten während der Apartheid – ganz egal, ob diese von weißen Regimeanhängern oder von schwarzen Oppositionellen begangen worden sind. Im Gegensatz zu den Nürnbergern Prozessen konnte man so innerhalb von wenigen Jahren große Teile der dunklen Vergangenheit aufarbeiten.
Während seiner Zeit in Haft ging Mandela seinem Prinzip „I teach you, you teach me“ nach. So lehrte er nicht nur seine Mitinsassen, sondern lernte auch von ihnen. Auch brachte er seinen Gefängniswärtern seine Ansichten bei, während diese ihm beispielsweise Afrikaans beibrachten. So entstanden tiefe Freundschaften zwischen Insassen und Wärtern.
1990 wurde unter anderem Mandela auf Befehl des südafrikanischen Präsidenten Frederik de Klerks freigelassen. Ein Jahr später wurde das Hochsicherheitsgefängnis für politische Gefangene aufgelöst, drei weitere Jahre später das gesamte Gefängnis geschlossen. Seit 1997 ist Robben Island für Besucher freigegeben und seit 1999 UNESCO-Weltkulurerbe.
Das kleine Dorf auf Robben Island -
früher für Wärter, heute für ehemalige
Gefangene
Diese vielseitige Geschichte Robben Islands ist zu erfahren, wenn man sich auf die einstündige Bootsfahrt zur Insel aufmacht. Geführt wird man ausschließlich von ehemaligen Gefangenen, die heute auf der Insel leben. Jeder Führer zeigt den Besuchern eine andere Facette der Insel und ihrer Geschichte, damit diese lebendig bleibt und nicht in Vergessenheit gerät.
Erstaunlich ist, dass diese Männer dazu in der Lage sind, an dem Ort zu leben, an dem sie Jahrzehnte ihres Lebens eingesperrt waren – und dies mit Freude machen. Das ist für mich Versöhnung.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen