Sonntag, 24. Juli 2016

Without Caption

Nach und nach trudeln aus Deutschland freudige Mitteilungen ein, dass man sich freue, mich in zwei Monaten wiederzusehen – vielen Dank dafür. Ich kann diese Freude gut nachvollziehen. Ein Jahr werde ich weg gewesen sein. Familie und Freunde werden mich ein Jahr nicht mehr gesehen haben. Das Gleiche gilt für mich: Die wenigsten habe ich gesehen, nur mit ein paar konnte ich über Skype telefonieren.
So groß die Freude auf der anderen Seite sein mag, bei mir hält sie sich trotz allem in Grenzen. Zwei Monate verbleiben mir in Kapstadt und Südafrika. Zwei Monate, um noch einmal aus den Vollen zu schöpfen. Einen Freiwilligendienst werde ich nur einmal absolvieren – und nun naht schon das Ende.
Schon? Zehn Monate sind vergangen. Wenn ich einmal durch mein Tagebuch blättere, so habe ich im vergangenen Jahr wahrscheinlich mehr erlebt und gesehen, als in meinem bisherigen Leben. Immer noch kann ich mich sehr gut an meine allerersten Tage erinnern. Der Abschied meiner Familie in Frankfurt, das Treffen aller Freiwilligen in Heathrow, die Fahrt vom Flughafen durch die Stadt, die ersten Tage in unserer Gastfamilie in Lotus River. Gleichzeitig weiß ich aber nun, wie lang ein Jahr ist. In Deutschland schwimmt man nur förmlich durch seinen Alltag: Silvester kommt, Neujahr geht und morgen ist schon wieder Weihnachten. Nicht, dass das hier anders sei, mittlerweile fühle ich mich sogar sehr wohl in meinem gefundenen Alltag, doch konnte ich erstmals das Gefühl für die Länge eines Jahr entwickeln.
Ist ein Jahr nun kurz oder eher lang? Jedenfalls kann man sehr viel in einem solchen Jahr erleben. Und diese Zeit will ich alles andere als missen. Vielmehr will ich, dass sie nie aufhört. All die Freunde, die ich gefunden habe, alle die unvergesslichen Ereignisse und Erlebnisse, all die Witze, die guten Gespräche, die Erfahrungen, die guten und schlechten Zeiten. Dieses Jahr hat mich als Mensch sehr stark geformt. Ich selber werde meine neue „Form“ erst in den Wochen nach meiner Rückkehr feststellen können, wenn ich mich ins altbekannte Deutschland einfügen muss.
Und nun werden mir nur noch zwei Monate gelassen, um dem Ganzen ein Tüpfelchen aufzusetzen. Doch dann ist Schluss mit Kapstadt. Langsam nimmt man Abschied von all dem alltäglichen. Wenn ich mir vorstelle, bald „Bye bye“ zu den Trainees und Kollegen auf der Arbeit sagen zu müssen, schmerzt es schon ein bisschen. All die schönen Orte in dieser fantastischen Stadt ein letztes Mal sehen. Die lockere und offene Mentalität der Südafrikaner nicht mehr haben.
Aber: Es geht weiter. In Deutschland erwarten mich neue Abenteuer, eine neue Stadt, neue Menschen, ein neues Leben. Ich darf meine Familie wieder in den Arm nehmen, mit meinen alten Freunden quatschen, meine erste Heimat wiedersehen. All dies lockt mich nach Deutschland. Ich werde sicherlich nicht schnell in ein Loch aus Sehnsucht, Langeweile und Lethargie fallen – hoffentlich.
Denn auch in Deutschland erwartet mich ein Alltag. Ein Alltag, dessen Rahmen mir zumindest bekannt ist. Während in Kapstadt zwar Alltag herrscht, so liegt doch immer eine gewisse Fremde über der Stadt und dem Land. Auch wenn ich mich an die Sprache und Menschen gewöhnt habe, damit aufgewachsen bin ich nicht. Deutschland hingegen kenne ich. Auch wenn ich mich in den ersten Wochen in Aachen, Mannheim oder Dresden noch zurecht finden muss, so kenne ich Land und Leute (obwohl man das von den Ossis vielleicht nicht ganz behaupten kann). Und somit wird jenes Loch früher oder später kommen und ich muss zusehen, wie ich mich darum herumschiffen kann.
Bereitet mir meine Situation nun Angst? Freue ich mich auf meine Rückkehr? Weine ich Kapstadt heute schon hinterher? Bin ich froh, einen Tapetenwechsel machen zu können?
Ich habe keine Ahnung!
Genau so wie dieser Blog-Eintrag, ist auch meine Gefühlswelt im Moment durcheinander. Jeder Tag birgt neue Gefühle und Gedanken. Wenn ich einen tollen Tag mit Freunden in Kapstadt verbringen, so schwebe ich auf Wolke Sieben und will nun gar nicht mehr weg von diesem Ort. Wenn mir hingegen mein Papa eine liebevolle Nachricht schreibt, dass er sich jetzt schon auf mich freue, so kann ich es gar nicht mehr abwarten.
Fest steht jedoch: der 23. September wird kommen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen